40. Urbacher Mostseminar /Verabschiedung von Hermann Beck
„Wo trinken keine Sünde ist, ist kotzen keine Schande“
Ganz so schlimm, wie in dem Zitat, das Stuttgarts Alt-Bürgermeister Manfred Rommel zugeschrieben wird, kam es dann doch nicht beim 40. Urbacher Mostseminar im Schlosskeller. Erstens waren die dabei verkosteten sieben Moste nicht so schlecht, dass man sich hinterher an der Schüssel festhalten musste und zweitens konnte man ja die Menge des verkosteten Mostes selbst dosieren.
Trotzdem – die Fässla und Flaschen waren am Ende des Abends alle leer und die Seminarteilnehmer dafür…
Es war ein besonderes Mostseminar, diese 40., denn, wie letzte Woche an dieser Stelle bereits berichtet, es war das letzte, das der Urbacher „Mostprofessor“ Hermann Beck für seine wissbegierigen Most Fans weiblichen und männlichen Geschlechts gab. „Moschdtrinker sind Naturschützer“, dieser Slogan ist bereits so alt wie das Urbacher Mostseminar selbst und er hat nichts an seinem Wahrheitsgehalt verloren seit dem Herbst 1986, als im damals noch nicht renovierten Schlosskeller zum ersten Mal in Urbach und auch weit drumherum Hermann Beck seine immer gehaltvollen Weisheiten zum Streuobst sowie der Herstellung und Lagerung der daraus gewonnen Erzeugnisse wie Saft, Most, Obstessig und andere Spezialitäten an Interessierte Stücklesbesitzer und Gourmets weitergab.
Viele Hundert waren es in den letzten vier Jahrzehnten, die Hermann Beck für das Arbeiten auf dem Baumstückle, in der Moste und im Keller begeisterte. So leistete er sicher auch einen wertvollen Beitrag dafür, dass unsere ökologisch so wertvollen Streuobstwiesen und Vogelschutzgebiete in all‘ den Jahren größtenteils gepflegt worden sind und sich somit in einem besseren Zustand befinden, als an vielen anderen Orten.
Hermann Beck ist ein studierter und weit gereister Getränke- und Kellereifachmann. Sein Wissen über Kellereitechnik hat ihn in seinem Berufsleben in 26 Länder auf der ganzen Welt geführt und wird auch jetzt, lange nachdem er in den Ruhestand gegangen ist, immer noch überall geschätzt und benötigt. Daher weiß er, wovon er spricht. Es war über all‘ die Jahre auch immer interessant seinen Ausführungen zur technischen Entwicklung bei der Mostherstellung und vor allem Lagerung zu folgen. Früher wurde der Most in Holzfässern gelagert, die oft von kleinen Buben mühsam gereinigt werden mussten, indem sie durch kleine Öffnungen in die Fässer hineinsteigen mussten. Später wurden kleinere Kunststofffässer gepriesen, die einfacher zum Sauberhalten waren. Heute schwört man eher auf Edelstahlfässer mit Einschüben, die dafür sorgen, dass das flüssige Nass stehts sauber und unter Luftabschluss gehalten werden kann. So kann das Schaffen der Bakterien reduziert werden, die unseren guten Most auf den Weg nach Esslingen (zu „Hengstenberg“ – Anm. der Red.) hinführen, wie Hermann Beck schmunzelnd formulierte.
Ob man Reinzuchthefe verwendet, um den Gärprozess beim Apfelsaft zu beschleunigen, oder den Most nach einiger Zeit ablässt und den Trub aus dem Fass nimmt, darüber streiten sich oft die Experten.
Sicher ist jedoch, dass für einen guten Most nur gesundes vollreifes Obst ohne faulige oder mit Schimmel befallene Stellen von möglichst unterschiedlichen Apfel- und Birnensorten verwendet werden sollte. Bei dessen Verarbeitung muss auf Sauberkeit und Hygiene geachtet werden. Dann ist auf alle Fälle gewärleistet, dass es zu keinen starken Fehlreaktionen im Gärprozess kommt, bei dem der Fruchtzucker zu Alkohol umgewandelt wird.
Denjenigen, die sich kein kostspieliges Edelstahl(druck)fass kaufen möchten, empfiehlt Hermann Beck, den Fassinhalt nach dem Anstich baldmöglichst in Flaschen abzufüllen, um so den Lufteintrag zum Most und damit das Bakterienwachstum und weitere Gärprozesse einzuschränken. So bleibt der Most länger haltbar, als in einem lang angebrochenen Fass.
Freilich – und das ist ja auch in all‘ den vielen Mostseminaren, die Hermann Beck gehalten hat, eine seiner Spezialitäten gewesen – hatte er auch immer ein guten Spruch auf Lager. Hätten Sie zum Beispiel gewusst, was in Zedlers Universal-Lexikon von 1741 zum Thema Most drinsteht? Dort findet man folgende Information: „Mostäpfel haben einen häßlichen, herben Geschmack, der einem das Maul zusammenzeucht und verwehret, dass man sie genießen kann. Ganz anders der Apfelmost. Er ist gut für die Brüste, stärcket das Hertz, befeuchtet wohl und löschet den Durst, dienet wider die Schwermühtigkeit.“
Und der schwäbische Heimatdichter Thadäus Troll warnt: „Der Mostrausch ist etwa Entsetzliches, weil er demTrinker nicht in die Höhe der Beschwingtheit folgt, lange nicht weicht und einen peinigenden Kater hinterlässt.“
Damit diese durch flüchtige Säuren und Methanole entstehende Nebenwirkungen nicht auftreten, bedarf es der zuvor zitierten Handlungsanleitung. Sonst, so befürchtet Hermann Beck, kommt das Urbacher Nationalgetränk auf Dauer nicht bei der heutigen „Hip-Hop-Generation“ an und die Trinkkultur rund um den schwäbischen Most geht irgendwann verloren. Apropos „Nebenwirkungen und Arzt oder Apotheker“! Hätten Sie gedacht, dass die Not in der Gegend schon so groß war, dass der bekannte Schorndorfer Apotheker Johann Philipp Palm einst, als die Apfelernte sehr karg ausgefallen war, ein Mostersatzgetränk aus „Zibeben und Tamarinden“ herstellte, das den dürstenden Mosttrinkern wohl ganz gut gemundet hat, wie Hermann Beck zu berichten wusste.
Man hätte ihm noch stundenlang zuhören können an diesem Abend, genauso wie dem Urbacher A-capella-Chor „Die Freiwilligen“. Die Sänger um ihren Chorleiter Gerhard „Goior“ Blechert und seiner Ukulele passten mit ihren schwäbischen Liedern „Mäh‘ se ´ra, se ´ra, dui Wies an dem Roi do na, wo koi Mäher et mäha ka“ oder „Do brauchsch an Beemschneidkurs!“ oder „Urbach em Remstal isch wonderschee!“ zu dieser Veranstaltung wie der sprichwörtliche „Arsch auf Eimer“.
Ebenfalls zu einem Original Urbacher Mostseminar gehört die „Urbacher Mostband“, einem kleinen, aber feinen Ableger des Evangelischen Posaunenchors Urbach unter der Leitung von Jan Heinrich. Leider haben die Sangeskünste und die Textsicherheit der Semnaristen in den letzten Jahren abgenommen, so dass die von der Mostband angestimmten Volkslieder wie „Am Brunnen vor demTore, „Preisend mit viel schönen Reden“ oder „Ännchen von Tharau“ nicht (mehr) mitgesungen worden sind, so wie das früher der Fall war.
Und damit so ein Mostseminar gut über die Bühne geht und die Gäste stets gut mit Essen und Trinken versorgt werden, brauchts fleißige Helferinnen im Hintergrund. Da wären vor allem die Urbacher Landfrauen zu nennen, die den Schlosskeller nicht nur liebevoll dekoriert hatten, sondern auch ein gehaltvolles schmackhaftes Vesper als Grundlage für die Mostprobe servierten und dann auch in rasendem Tempo immer wieder neuen Most nachschenkten. „Die fleißigen Bienen“, wie Martina Fehrlen sie in Anlehnung an das Wappentier der Landfrauen bezeichnete erhielten – zu recht! – ein Sonderlob der Bürgermeisterin. Lob und Dank hatte die Bürgermeisterin auch für Fabian Hilbert und Achim Grockenberger parat, die das Mostseminar vorbereitet hatten sowie Gisela Speitler, dem „guten Schlossgeist“.
Großer Dank gilt natürlich zum Schluss auch allen Mostspendern, die jeweis 20 Liter ihres Lieblingsgetränks hatten spenden müssen, um beim Urbacher Mosteminar prämiert werden zu dürfen, als da wären:
Eberhard Ziegler, Berglen-Streich (ehem. Hegnauhof/Urbach). Er spendete den Most zum Vesper (außer Konkurrenz)
Der Mostprobe stellten sich in diesem Jahr folgende Mostproduzenten:
- Manuel Fila, Lorch
- Matthias Knapp, Urbach
- Simon Jetter, Urbach
- Jörg Dobelmann, Urbach
- Hans Knödler, Alfdorf
- Paul Schönemann, Urbach
Mit deutlichem Abstand gewann in diesem Jahr der Apfel-/Birnen-Most von Hans Knödler aus Alfdorf. Auf den Plätzen folgten Jörg Dobelmann mit einem relativ lieblichen Apfel-/Trauben-Most und Dr. Matthias Knapp mit seinem Apfelcidre „Most Have“.