27. Mostseminar in Urbach

Trotz Schnee und Eis drangvolle Enge beim 27. Urbacher Mostseminar

Eine Atmosphäre wie in einer Besenwirtschaft herrschte am vergangenen Samstag im Urbacher Schlosskeller. Obwohl es noch am Tage heftig geschneit hatte und der Winter zurückgekehrt war, ließ sich kaum jemand davon abhalten, die 27. Auflage des Urbacher Mostseminars mitzuerleben und dem Vernehmen nach waren nur wenige Debütanten unter den mehr als 100 Gästen, die „der Schlossherr“ Bürgermeister Jörg Hetzinger begrüßte.

Der Urbacher Schultes, inzwischen auch schon mit reichlich Seminarerfahrung gesegnet und somit zum „alten Hasen“ in Sachen Most avanciert, begann seine Rede mit der treffenden Bemerkung:

„Moscht braucht dr Ma und muaß er hau.
sonschd ka er’s Schaffa bleiba lau!“
Was dät a Bauer beispielsweis
Em Sommer, wanns em druckt dr Schwoiß
Aus älle Pora, ohne Moscht?
Nex anders geit em Kraft ond Troscht,
wia so an Schluck vom Suttakruag
desch ebbes Feis, mr kraigt kaum gnuag!“

Dieser Auszug aus einem Gedicht des Großheppacher Heimatdichters Kurt Dobler bezieht sich zwar in erster Linie auf die Trinkgewohnheiten der Männer, doch auch die Frauen sind beim Genuss des schwäbischen Nationalgetränks gewaltig auf dem Vormarsch. Kein Wunder, denn, wie Mostprofessor und Seminarleiter Hermann Beck verlauten ließ, vereinige der vergorene Apfelsaft gleich mehrere gute Eigenschaften in sich, für die man sonst eine Menge Geld in Reformhäusern und Drogerien ausgeben müsste. So sorge der Genuss von Most für einen positiven Stoffwechsel und eine gesunde Darmflora (ganz ohne probiotische Zusatzmittelchen oder teure Joghurts!), weiterhin steigere er die Lebhaftigkeit des Organismus’ und schaffe Entspannung durch Anspannung. Was heißen soll, dass sich durch Genuss eines räsen Moschds die Haut strafft und die Most trinkende Damenwelt somit auch ganz ohne Cremes und Sälbchen eine „fatzenglatte“ Haut vorweisen könne, so der Dipl. Getränkeingenieur Hermann Beck, der es wissen muss!

Für Männer sei der Most in vergangenen Zeiten ein „leichtes Dopingmittel“ gewesen, fuhr Hermann Beck fort, mit „so  4-5 Liter am Dag“, die ein Bauer bei seiner schweren Feldarbeit in der Regel konsumierte, hätten sich die Bauersleut’ regelrecht „frei geschafft“. Gleichwohl Beck zugeben musste, dass der Most in diesen seligen Zeiten wesentlich „dünner“ gewesen sei, da er schon beim „Einmaischen“ mit reichlich Wasser gestreckt wurde.
Heute jedoch, da genügend Obst sogar in solchen Jahren vorhanden ist, in denen es weniger Obst gab (so wie im letzten Jahr), wird der Apfelsaft direkt aus der Frucht heruntergepresst und kommt unverdünnt in die Fässer. So entstehen Moste mit einem Alkoholgehalt von durchschnittlich 5,5 bis 6,5 % Volumenprozent Alkohol. Das edle Getränk ist damit mehr als doppelt so stark und gehaltvoll als der klassische Most aus vergangenen Tagen. Und das schmeckt man!

Beim vergangenen Mostseminar war die Qualität der verkosteten Moste durchweg hoch, obwohl die Geschmacksrichtungen und Verschnitte durchaus unterschiedlich waren. So war beispielsweise ein Most mit Holunderbeeren dabei, ein Zweijähriger sehr milder und runder, zwei klassische „Schwabenmöschde“ und ein anderer mit Quitten. Selten ist es dem Publikum so schwer gefallen, den Siegermost zu küren. Dabei lagen die Stimmenzahlen auch relativ eng beieinander. Das Rennen machte schließlich der Most mit den Quitten, die dem Siegermost wohl das besondere Etwas gaben. Dies hat den Erzeuger, die Familie Schoch aus Wäschenbeuren besonders gefreut, war sie doch zum ersten Mal beim Urbacher Mostseminar dabei. Auf den Plätzen zwei und drei landeten die Moste von Paul Haaga, der damit die Ehre der Urbacher Mosterzeuger rettete, und der Familie Hinderer aus Rudersberg.

Dass nicht „Eitel, Freude, Sonnenschein“ bei den Stücklesbesitzern herrscht, wurde schon dadurch deutlich, dass auch im letzten Herbst wieder schlechte Preise für das qualitätvolle heimische Mostobst gezahlt wurde, obwohl es wenig davon gab. Hermann Beck führte das auf den Konkurrenzdruck aus dem Ausland zurück. Billige Apfelsäfte und vor allem auch Mischgetränke (Apfelschorle) würden aus billigstem Konzentrat aus dem osteuropäischen Ausland oder aus China hergestellt, das bei weitem nicht dem Geschmack und der Qualität heimischer Produkte entspreche. So empfahl Beck seinen Zuhörerinnen und Zuhörern nur Getränke zu kaufen, die die Bezeichnung Apfelsaftschorle hätten, denn im Gegensatz zu den vielen Apfelschorlen, die man in den Regalen findet, muss in diesen Getränken auch tatsächlich Apfelsaft enthalten sein.

Bürgermeister Jörg Hetzinger verwies in diesem Zusammenhang auf das „Urbacher Apfeljahr 2010“, das von der Urbacher Agenda-Arbeitsgruppe „Urbach miteinander“ ins Lebengerufen wurde. Mit insgesamt 26 verschiedenartigen Veranstaltungen rund um den „Apfel“, die über das Jahr verteilt in Urbach stattfinden, soll die Bevölkerung wieder mehr für das ökonomisch und ökologisch wichtige Thema sensibilisiert werden.

Trotz allen ernsten Themen, darf natürlich auch der Spaß beim Mostseminar nicht zu kurz kommen. Dafür sorgten in diesem Jahr zwei Urbacher Originale. Else Söll und Ella Schiek sorgten als „Dia Zwoi vom Döbele“ mit ihren schwäbische Sketchen, Gedichten und Liedern unterstützt von Gemeinderätin Siegrun Burkhardt an der Gitarre, für große Heiterkeit unter den SeminarteilnehmerInnen. Mit unnachahmlicher Gestik und Mimik, stilvollen und gewagten Kostümen und viel schwäbischem Witz verstanden die beiden Damen es, ihr Publikum ein ums andere Mal zu Lachen zu bringen.

Auch die „Urbacher Mostband“ ein Ableger des Evangelischen Posaunenchors ist vom „Urbacher Mostseminar“ nicht wegzudenken. Schwäbisches Liedgut und traditionelle Volksmusik vom „Ännchen von Tarau“ bis hin zur heimlichen württembergischen Hymne „Preisend mit viel schönen Reden“ wurde von den Urbacher Bläsern in höchst gelungener Weise wieder dargeboten.

Ein weiterer Garant für ein gelungenes Mostseminar sind die Urbacher Landfrauen, die mit einem deftigen Vesper mit dem unvergleichlichen Hegnauhöfer Holzofenbrot eine gute Grundlage für die später folgenden Mostproben schaffen. In diesem Jahr hatten es die Damen im beinahe übervollen Schlosskeller besonders schwer mit ihren Suttenkrügen ständig für Nachschub bei den Seminarteilnehmern zu sorgen. Aber sie schafften es auch diesmal und dafür sei Ihnen an dieser Stelle herzlich gedankt, ebenso wie allen anderen Beteiligten, die einmal mehr dafür gesorgt, dass das Urbacher Mostseminar einmal mehr zu einem Erfolg wurde.

 

 



Dipl. Getränkeingenieur Hermann Beck ist seit Beginn an der Urbacher Mostprofessor und gibt den Seminarteilnehmern wertvolle Tipps zum An- und Ausbau von Obst und Most.
Mit seinen Anekdoten aus (leider?) längst vergangenen Tagen sorgt er außerdem für viel Heiterkeit

 


Die „Urbacher Mostband“ ist ein nicht mehr
wegzudenkender Bestandteil des Mostseminars.

 


Beim Urbacher Mostseminar – da ist gut sein!

 


Else Söll und Ella Schiek sorgten als „Die Zwoi vom Döbele“
für viel Heiterkeit unter den Seminarteilnehmern